Studie zu DAB+ in Großbritannien (Foto: RadioBlog.eu)
Studie zu DAB+ in Großbritannien (Foto: RadioBlog.eu)

Studie: DAB+ hat es in Großbritannien weiter schwer

In Großbritannien hat es DAB+ weiterhin schwer, den alten DAB-Standard zu verdrängen. Sechs von zehn Briten, die terrestrisches Digitalradio nutzen, haben keine Ahnung, was der Unterschied zwischen dem alten und dem aktuellen Standard ist, obwohl sie oft sogar DAB+-Empfang haben. Das geht aus der ersten großen Umfrage der Medienaufsichtsbehörde Ofcom zu diesem typisch britischen Phänomen hervor.

Der große Unterschied zu Kontinentaleuropa besteht darin, dass sich das digitale Radio im Vereinigten Königreich bereits recht gut durchgesetzt hatte, als es im restlichen Europa als Totgeburt galt. Da es auf dem europäischen Festland kaum DAB-Radios in den Haushalten gab, war es unproblematisch, den technologisch fortschrittlicheren Standard DAB+ einzuführen. Schließlich können Radiogeräte mit DAB+ auch problemlos den alten DAB-Standard empfangen. Umgekehrt funktioniert das nicht: Wer noch ein altes DAB-Radio hat, kann hingegen keine Programme empfangen, die in DAB+ senden.

Das ist ein Problem, das die Briten bis heute verfolgt. Die Folge ist, dass ein großer Teil des für terrestrisches Digitalradio verfügbaren Übertragungsspektrums unzureichend genutzt wird, wie auch alle Beteiligten zugeben. Die BBC nutzt immer noch ausschließlich das alte DAB, während die kommerziellen Anbieter eher zögerlich auf DAB+ umsteigen. Nur die noch vergleichsweise neuen, lokalen Small-Scale-Multiplexe sind verpflichtet, den DAB+-Standard zu nutzen.

Alte DAB-Radios auch heute noch im Handel

Das größere Manko ist der Mangel an klaren Daten über das Ausmaß dieses Problems. Wie hoch ist der Prozentsatz der britischen Haushalte, die – zu Hause und/oder im Auto -, die nur das alte DAB empfangen können?

Ein zusätzliches Problem ist, dass auch heute noch neue Geräte verkauft werden, die nur DAB, nicht aber DAB+ empfangen können. Der Durchschnittspreis eines DAB-Gerätes beträgt in Großbritannien weniger als die Hälfte des Durchschnittspreises eines DAB+-Gerätes (27 gegenüber zum Beispiel 66 Pfund). Folglich findet man erstere vor allem bei einigen Billig-Elektroketten, während das DAB+-Sortiment qualitativ viel breiter ist. Laut dem britischen GfK Panelmarket wurden im Jahr 2022 rund 220.000 neue DAB-Radios verkauft, gegenüber 470.000 mit DAB+ und sogar 530.000 mit ausschließlich analogen Radiobändern. Insgesamt befindet sich der Absatz von Radiogeräten seit einigen Jahren im freien Fall.

DAB+ bei Autoradios Standard

Auch in britischen Neuwagen haben fast alle Autoradios seit einigen Jahren serienmäßig DAB+ an Bord, weil die Briten 2020 die europäische EECC-Richtlinie (die aus der Zeit kurz vor dem Brexit stammt) in ihre Gesetzgebung übernommen haben. Allerdings gab es eine Menge Unklarheiten über die Situation in älteren Autos.

Laut der britischen Medien- und Telekommunikationsaufsichtsbehörde Ofcom war es daher höchste Zeit, einen klaren Blick auf den aktuellen Stand von DAB+ zu werfen. Die Ergebnisse wurden erst am vergangenen Freitag veröffentlicht, obwohl die Befragung von 4055 erwachsenen Briten (face-to-face) bereits im Oktober/November letzten Jahres stattgefunden hat.

Umfrage-Ergebnisse in der Zusammenfassung

Ofcom fasst die Ergebnisse der Umfrage wie folgt zusammen.

DAB+-Verbreitung

  • 10,1 Millionen britische Haushalte (36 Prozent) verfügten über ein DAB+-Gerät, entweder zu Hause oder in mindestens einem Auto, was einer geschätzten Zahl von 14,8 Millionen DAB+-Geräten entspricht.
  • 4,2 Millionen britische Haushalte (15 Prozent) hatten ein DAB+-Gerät zu Hause, was einer geschätzten Anzahl von 4,8 Millionen DAB+-Geräten (Haushalt) entspricht.
  • Zwei Drittel (66 Prozent) der DAB-Besitzer zu Hause hatten ein DAB+-Gerät.
  • Mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Haushalte mit einem Auto hatten ein DAB+-Gerät im Auto.

DAB+-Nutzung

  • Ein Viertel der DAB-Hörer zu Hause hat im letzten Monat einen DAB+-Radiosender gehört.
  • Ein Fünftel der DAB+-Hörer im Auto hat im letzten Monat einen DAB+-Radiosender gehört.

Bekanntheitsgrad von DAB+

  • Personen, die DAB-Radio hörten, kannten DAB+ deutlich häufiger als der Rest der Bevölkerung (31 Prozent gegenüber 18 Prozent).
  • Mehr als die Hälfte der DAB-Hörer (58 Prozent) gaben jedoch an, noch nie von DAB+ gehört zu haben.

Es gibt noch weitere interessante Schlussfolgerungen aus diesem Bericht zu ziehen. So ist – wie die RAJAR-Zahlen ebenfalls zeigen – in den letzten Jahren ein starker Anstieg des Radiohörens zu Hause über Smart Speaker zu verzeichnen, obwohl auch dieses Phänomen allmählich seinen Höhepunkt zu erreichen scheint.

In der Praxis verteilt sich das Radiohören zu Hause derzeit auf fünf Wege (analog, DAB(+), digitales Fernsehen, Smart Speaker und andere Online-Anwendungen). Die wöchentliche Reichweite von DAB(+) liegt landesweit bei 59 Prozent. Vor allem in einigen Teilen Englands werden Spitzenwerte von bis zu 69 Prozent erreicht.

Am bemerkenswertesten ist jedoch, dass nur sehr wenige Besitzer eines DAB- und/oder DAB+-Geräts den Unterschied zwischen den beiden Übertragungsstandards kennen. Um den Besitz von DAB- bzw. DAB+-Empfängern genau zu erfassen, mussten in der Umfrage einige sehr spezifische Fragen gestellt werden. Zum Beispiel wurden alle DAB-Besitzer gefragt, ob sie Heart 90s und Capital Dance (die nur über DAB+ verfügbar sind) auf ihren drei neuesten Radios empfangen können. Auf dieser Grundlage kommt Ofcom zu dem Schluss, dass 66 Prozent der DAB-Besitzer in ihren Wohnungen Zugang zu DAB+ haben. Dies entspricht einem Anteil von 15 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Im Auto hat laut Ofcom derzeit genau die Hälfte der Briten DAB an Bord. Durch eine Kombination aus der Umfrage und den Zahlen der Autoindustrie kommt die Regulierungsbehörde zu dem Schluss, dass nur 37 Prozent aller DAB-Radios im aktuellen britischen Fuhrpark auch mit DAB+ umgehen können.

Ofcom: Vorerst keine forcierte Umstellung auf DAB+

Laut Ofcom wäre es auf der Grundlage dieser Zahlen unverhältnismäßig, jetzt regulatorische Schritte zu unternehmen, um den Übergang von DAB zu DAB+ zu beschleunigen: „Wir glauben, dass ein Fokus auf von der Industrie geführte Initiativen wahrscheinlich den größten Nutzen bringen würde, wobei die Unternehmen ihre eigenen Entscheidungen darüber treffen, wie sie ihre Dienste im Interesse ihrer Hörer und potenziellen Hörer entwickeln.

Ofcom beabsichtigt, im Jahr 2026 eine Folgestudie zu diesem Thema durchzuführen.