Regionalradio BW sendet erst seit wenigen Wochen vom Fernmeldeturm Brackenheim 1 (Foto: FM Kompakt)
Regionalradio BW sendet erst seit wenigen Wochen vom Fernmeldeturm Brackenheim 1 (Foto: FM Kompakt)

Regionalradio BW: Neue Programme im „Ländle“ unerwünscht?

Am 1. Juli 2022 startete der Testbetrieb von Regionalradio BW in der Region zwischen Heilbronn und Stuttgart. Erst vor wenigen Wochen konnte das Projekt um einen zweiten Senderstandort erweitert werden. Wurden die Tests im Kanal 12B zunächst nur vom Standort Abstatt-Happenbach mit 760 Watt verbreitet, konnte am 22. Mai 2023 auch noch der Sender Güglingen mit 630 Watt in Betrieb genommen werden.

Jetzt steht das von Dana Diezemann initiierte Projekt vor dem Aus. Warum der Sendebetrieb am 30. Juni zumindest vorübergehend wieder eingestellt werden muss, klärte Thomas Kircher von FM Kompakt im Interview mit Dana Diezemann.

Thomas Kircher: Dana, wie kommt man auf die Idee, in Eigenregie ein DAB+ Bouquet aufzubauen?

Dana Diezemann: Seit 2017 war ich auf diversen Nichtkommerziellen Sendern in Baden-Württemberg zu hören. Unter anderem produzierte ich über 50 Sendungen „Talk mit Dana“. Ausgestrahlt wurde mein Talk beim Hochschulradio HORADS in Stuttgart, sowie auf Radio StHörfunk Schwäbisch Hall. Damals waren einige Freie Radios im Timesharing unter dem Namen „Bürgermedien BW“ auf einem DAB+ Kanal zu hören, welcher im Januar 2019 wieder abgeschaltet werden musste. Bis zu diesem Zeitpunkt war auch der „Talk mit Dana“ auf HORADS über DAB+ zu empfangen.

Die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) Stuttgart begrüßt einmal jährlich die Freien Radioanbieter. So war dies auch im April 2019 der Fall, also nachdem der Bürgermedien-Kanal auf DAB+ eingestellt wurde. Als Vorstandsmitglied des StHörfunks nahm auch ich an der Einladung der LfK teil. Auf die Frage, wie denn die Transformation der Bürgerradios ins Digitale geschehen soll, sagte Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der LfK: „Dann nehmen Sie das doch in die Hand. Wenn Sie auf DAB+ wollen, dann können Sie das machen, dazu bekommen Sie ja schon unser UKW Antennengeld. Die zusätzliche Finanzierung müssen Sie aber selbst besorgen“. Meine Antwort darauf war: „Dann nehme ich auch kommerzielle Anbieter mit ins Bouquet“. Ab diesem Zeitpunkt war ich voller Leidenschaft und Herzblut, um diese Herausforderung wahr werden zu lassen.

Thomas Kircher: Das war im Frühjahr 2019 – nun haben wir Juni 2023. Was verzögerte den Start so lange, und warum muss der Betrieb wieder eingestellt werden?

Dana Diezemann: Darüber könnte ich ein Buch schreiben. Eines vorweg: Meine Kontakte in die „Radio-Community“ waren Gold wert. Etwa zwei Dutzend Fachkollegen unterstützten mich durch technisches Knowhow, Moderation der Hinweisschleifen, Aufbau des Senders, bis hin zu den Einmessarbeiten der Kathrein-Antenne auf dem Fernmeldeturm Cleebronn bei Güglingen. Allen Helfern und Unterstützern gilt mein herzlicher Dank!

Entgegen der Aussage der LfK bekam ich jedoch von der Idee bis zum 24/7-Testbetrieb durch die Landesanstalt immer wieder neue Hürden auferlegt. Doch der Reihe nach: Bereits ab Mai 2019 hatte ich mehrere Gespräche mit dem LfK-Leiter der Technischen Abteilung, Herrn Berner, besonders im Hinblick der Transformation der Bürgerradios auf DAB. Danach wurde es ruhig. Da ich zwar schon immer technisch interessiert war, jedoch hier Neuland betrat, gab es viel zu lernen, mit Radio-Kollegen auszutauschen, Software zu entwickeln, Technik zu besorgen, einen Call-for-Interest zu starten und und und.

Am 22. April 2021 lehnte die LfK meinen Antrag auf eine Versuchsausstrahlung ab. Nach der LfK-Ablehnung wandte ich mich an die Bundesnetzagentur und beantragte dort die Zulassung auf einen Testbetrieb. Wenn die BNetzA zustimmt, kann die LfK den Test nicht verweigern. Im September 2021 erhielt ich tatsächlich die Unbedenklichkeitsbestätigung für einen Testbetrieb! Im Oktober 2021 sagte uns die BNetzA eine mögliche freie Frequenz zu. Ich habe dann die ersten Senderanlagen besorgt und drei Standorte evaluiert.

Im April 2022 wurde uns von der BNetzA der freie Kanal 12B offiziell genehmigt. Die Frequenz ist seit Ende Juni 2022 international koordiniert. Allerdings mit einem Wehrmutstropfen: Die LfK nahm Einfluss und ließ das beantragte Sendegebiet auf ein Viertel zusammenkürzen. Ich durfte nicht mehr aus Stuttgart für Stuttgart senden.

Der einzige Großstandort Standort Brackenheim 1 liegt außerhalb der Metropolregion und ist nicht für einen Hochleistungssendebetrieb von der Plattform geeignet. Hier eine Lösung mit der DFMG zu finden, brauchte Zeit. Im Mai 2022 hatte ich hier die erste Begehung. Im Oktober 2022 erfolgte die Baubegehung, und schließlich im April 2023 wurde nach der Bauzulassung die Sendeanlage aufgebaut. Am 1. Juni 2023 ging dann Brackenheim endlich auf Sendung.

Die Technik verwendet aus Nachhaltigkeit einen gebrauchten Harris DAB Sender aus dem Jahre 2004, der schon damals auf dem Kanal 12B sendete. Nachdem ich einen 10-Jahresvertrag bei der DFMG für die Nutzung des Fernmeldeturms „Brackenheim 1“ unterschrieben hatte (monatliche Miete 740 Euro), wurde dort eine Kathrein-Antenne mit 0,6 kW ERP installiert. Von diesem Standort aus sendet übrigens Radio Energy 100,7 MHz als einer der wenigen Privatsender, welcher nicht über DAB+ im Ländle zu hören ist, und natürlich starkes Interesse an einem weiteren Verbreitungsweg hat.

Am 30. Juni 2023 endet nun meine Erlaubnis auf Testabstrahlung. Offizielle Begründung der LfK für die Beendigung: Man sieht seitens der Landesanstalt keinerlei Bedarf für eine weitere DAB+ Abdeckung in der Region Stuttgart. Deshalb kann mein Test nicht in einen Dauerbetrieb übergehen. Doch diese Begründung ist aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar! Am 3. März 2023 hatte ich hierzu mit der LfK ein zweistündiges Gespräch. Ich bot unter anderem an, dass ich die vier Freien Radios, in deren Einzugsgebiet RRBW sendet, kostenlos verbreite (wie nach dem Schweizer Vorbild). Doch auch dieser Punkt konnte nicht überzeugen.

Es gibt einige Privatradios in BaWü, welche UKW-only senden, jedoch gerne zusätzlich auf DAB+ möchten. Die Anbieter haben einen vordringlichen Bedarf, der der LfK auch bekannt ist. Außerdem die Freien Radios, die mit DAB+ liebäugeln und damit ihr Sendegebiet deutlich erweitern können. Auch mit überregionalen Anbietern stehe ich in Kontakt, welche sehr gerne in Teilen Baden-Württembergs auf Sendung gehen möchten. Auch, dass es keinen Bedarf für einen EWF-Kanal in Baden-Württemberg gibt, ist nur schwer zu verstehen.

Ich stehe mit den drei führenden Autoradio-Herstellern in Kontakt und im Austausch für einen Automotive Testkanal. Auch für diese Branche ist mein innovatives Projekt ein Mehrwert und eine Herausforderung, um die Möglichkeiten der Technik anzupassen und zu perfektionieren. Mit großem Bedauern reagiert man deshalb auch hier auf das vorläufige Aus meines Regionalradio BW.

Dana Diezemann vor einer ihrer Antennenanlagen (Foto: FM Kompakt)
Dana Diezemann vor einer ihrer Antennenanlagen (Foto: FM Kompakt)

Dana Diezemann: „Möchte dem Endkunden zeigen, was DAB+ kann“

Thomas Kircher: Was sind die Highlights Deines innovativen Bouquets?

Dana Diezemann: Ich möchte dem Endkunden zeigen, was alles in DAB+ steckt. Hier handelt es sich ja nicht „nur“ um Radio, sondern auch um Bilder zum Ton. Ich habe zum Beispiel den Ablauf des gesprochenen Textes mit den Bildtafeln so programmiert, dass genau zum jeweiligen Moderator auch dessen Bild sekundengenau im Display erscheint. Es werden Tests mit Sprache, Musik und grafischen Inhalten durchgeführt, um sowohl statische als auch dynamische Sendeparameter testen zu können.

Eine neue, innovative Funktion sind beispielsweise dynamische Bitraten, die es ermöglichen, jedes Programm in optimaler Klangqualität auszustrahlen und gleichzeitig Bandbreite einzusparen. Eine reine Wortsendung, wie z.B. Nachrichten, kann problemlos auch in Mono ausgestrahlt werden und verbraucht auf diese Weise nur noch halb so viel Kapazität wie ein stereophones Musikprogramm. Die dadurch eingesparte Kapazität kann nun anderen Anbietern zugutekommen, so dass jeder Sender im Mux einen besseren Klang erhält. Dies beweist hörbar allen DAB+ Kritikern, dass DAB+ klasse klingen kann – wenn alle Parameter in der Verarbeitungskette eben optimal sind. Weniger ist hier bei DAB mehr.

Aktuell besteht das RRBW-Bouquet aus elf Kanälen, wovon ich drei für die Live-Übertragung des ISS-Videostreams nutze. Im Sekunden-Takt werden die Bilder erneuert. Hierfür habe ich drei Kanäle zur Auswahl (SD-, HD- und UHD-Version). Zusätzlich habe ich zwei EWF-Warnkanäle aufgeschaltet. Die Besonderheit bei einer EWF-Warnung: Automatisch wird im Ernstfall von einem „normalen Kanal“ auf den Warnkanal umgeschaltet, um hier die Gefahrendurchsage nicht zu verpassen. Am Warntag, den 8. Dezember 2022 erfolgte hierüber eine scharfe EWF-Warnung.

Thomas Kircher: Wie geht es nun weiter?

Dana Diezemann: Schweren Herzens muss ich zum 30.6.2023 abschalten. Insgesamt steckte ich in das Projekt bisher über 50.000 Euro und natürlich unendlich viel Zeit. Allein für die Antennen in Brackenheim zahlte ich über 5000 Euro. Man sollte nicht vergessen, dass ich das ganze Projekt ehrenamtlich betreibe. Doch so schnell gebe ich nicht auf. Wie bereits erwähnt, habe ich einen Zehn-Jahresvertrag für den Standort „Brackenheim 1“. Ich gehe fest davon aus, dass ich mit meiner fachlichen Beratung aus meinen Netzwerk und den zusätzlichen Bedarfsmeldungen meiner möglichen Kunden die LfK sehr wohl von einem bestehenden Bedarf für ein weiteres DAB-Bouquet überzeugen kann.

Die LfK setzt laut Eigenwerbung seit langem auf Kontinuität. Bewarb selbst im April 2019 den „Versuch mit Small Scale DAB“ für Community Radios, NKLs, Lernradios und kommerzielle Anbieter. In einer LfK Pressemitteilung (13/2019) kündigte man die „Weichenstellung für Digitalradio für zusätzliche Medienvielfalt“ an. Nix ist passiert. Und nun blockiert die LfK ihre eigenen Vorhaben. Für mich absolut unverständlich und widersprüchlich, zumal der LfK durch das Regionalradio BW keinerlei Kosten entstehen. Sie bräuchten nur „Ja“ zu sagen, und alles weitere organisiere doch ich – inklusive der zusätzlichen Medienvielfalt.

Ich lasse mich durch ein vorübergehendes Ende auch nicht abhalten, um weitere Standorte zu koordinieren und neue Möglichkeiten zu testen. Als eine von vielen Ideen möchte ich folgendes verraten: DAB+ mit Rückspulfunktion, ähnlich wie eine Festplatte zu nutzen. Das heißt, ich biete zwei zeitversetzte Streams an. Wenn jemand ein Lied nochmal hören möchte oder den Anfang eines Beitrages versäumt hat, so kann er dank dieser Funktion, über den zweiten DAB+ Kanal das Ganze nochmal von vorne hören.

Regionalradio BW im Autoradio (Foto: FM Kompakt)
Regionalradio BW im Autoradio (Foto: FM Kompakt)

Bislang nur landesweite Kette für Privatradios in Baden-Württemberg

Während die Medienpolitik in Baden-Württemberg zum Start des Privatfunks Mitte der 80er Jahre auf lokale und regionale Programme setzte, gibt es auf DAB+ für private Veranstalter noch heute nur eine landesweite Senderkette. Das bedeutet: Die Sendeplätze sind rar. Manche überregionalen Veranstalter haben keinen Platz im Bouquet gefunden. Umgekehrt müssen lokale und regionale Veranstalter in einem Multiplex senden, der von Darmstadt bis Zürich sendet. Das bringt große Streuverluste mit sich. So gesehen ist es unverständlich, warum die Landesmedienanstalt Initiativen für mehr Programmvielfalt blockiert anstatt grünes Licht für regionale Multiplexe zu geben.