Blick vom Aussichtsturm auf dem Hahnenkamm auf den BR-Mast, im Hintergrund ist der DFMG-Mast zu sehen
Senderstandort Alzenau-Hahnenkamm (Foto: RadioBlog.eu)

DAB+: Anspruch der Fans vs. Realität im „normalen“ Leben

DAB+ ist in Deutschland vor zwölf Jahren gestartet. Eigentlich sollte das terrestrische Digitalradio einmal den analogen UKW-Rundfunk ablösen. Davon spricht kaum noch jemand. Zwar steigt die Reichweite von DAB+ kontinuierlich, allerdings keineswegs in dem Maße, wie es sich Befürworter sicher wünschen würden.

Wie nimmt der normale Hörer, abseits der Freak-Blase – DAB+ überhaupt wahr? Dazu ein Beispiel aus der Praxis. Ich habe den Clint Loki L1 schon 2015 ersetzt, weil das Gerät für Internetradio den AAC+-Standard nicht beherrscht hat. Viele amerikanische Radiostationen erklangen daher in einem Mittelwellen-ähnlichen Sound, was auf Dauer kein Vergnügen war.

„Zweites Leben“ für Clint Loki L1

Den Clint Loki L1 hatte ich damals verschenkt. Die Beschenkte verwendet das Gerät als Küchenradio. Sie hört vorwiegend Radio Primavera, da hier gefällige Musik läuft und Informationen aus der Region zu hören sind. Bei einem Besuch in ihrer Wohnung in Heusenstamm klagte sie vor einigen Wochen, dass Radio Primavera nicht immer störungsfrei zu empfangen ist.

Heusenstamm liegt vielleicht 20 Kilometer vom Sender auf dem Hahnenkamm bei Alzenau entfernt. Radio Primavera sendet von dort mit satten 25 kW. Das sollte für störungsfreien Empfang auch mit Teleskopantenne in Fensternähe im Erdgeschoss reichen. Tut es aber nicht, wie ich selbst erleben musste.

Wenn die Beleuchtung den Radioempfang stört

Schnell stellte ich fest, dass die Beleuchtung der Küche der „Übeltäter“ ist. Das kenne ich von der LED-Röhre in meiner eigenen Küche. Wenn diese in Betrieb ist, gibt es selbst einen Raum weiter noch Empfangsprobleme – selbst wenn ich Programme in Multiplexen höre, die vom keine 15 Kilometer Luftlinie entfernten Schnepfenkopf bei Gelnhausen verbreitet werden.

In meinem Fall stört diese Misere nicht weiter. Ich verwende für DAB+ eine Dachantenne. Aber ein Normalhörer, oder – wie im Fall der Loki-L1-Nutzerin – eine ganz normale Hörerin, die einfach nur ihre Programme empfangen will. Wohlgemerkt Ortssender, sie hat nicht den Anspruch, auch MDR, SWR oder ähnliches zu empfangen.

Web statt DAB+

Ein anderer Aufbauort für das Radio kam nicht in Frage („mein Radio steht da schon seit Jahrzehnten, das hat da ja auch immer funktioniert“). Also musste eine andere Lösung her, und die war auch ganz einfach. Ich habe das Clint-Radio mit dem WLAN-Netz verbunden. Anstelle von DAB+ wird jetzt Internetradio genutzt. Hier ist der Empfang perfekt, und die Hörerin ist wieder glücklich.

Ich fürchte, vergleichbare Probleme gibt es häufiger als man denkt – falls überhaupt noch ein „richtiges Radio“ verwendet wird. Immer häufiger wird Radio über Alexa & Co. gehört. DAB+? Fehlanzeige! Und daran wird sich vermutlich auch nichts ändern. Ich selbst setze ja auf Sonos für die Beschallung von Wohnung und Büro, weil so ein Multiroom-System einfach praktisch ist.

Mobil ist DAB+ im Vorteil

Anders sieht es mobil aus: Hier punktet DAB+ durch robusten Empfang im Autoradio, sofern man sich innerhalb der versorgten Regionen der jeweiligen Senderkette aufhält. Internetradio verbraucht hingegen Datenvolumen (das ist in vielen deutschen Mobilfunktarifen ja immer noch ein rares Gut). Je nach Region und Netz ist der Webradio-Empfang auch nicht so stabil wie DAB+.

Die Terrestrik hat weiterhin ihre Berechtigung. Mobil werden DAB+ und UKW noch lange gebraucht. Aber für den Heimempfang ist Streaming klar im Vorteil: Die Programmvielfalt ist größer, der Empfang ist robuster, und solange man sich im Einzugsbereich seines WLAN-Netzes aufhält, kann das Radio oder der Smart Speaker an einem beliebigen Ort aufgebaut werden anstatt nur dort, wo die Funkwellen von außen zufällig auch bei eingeschalteter Beleuchtung zu empfangen sind.