Kommunikationsempfänger JRC NRD-535DG
Kommunikationsempfänger JRC NRD-535DG (Foto: SmartPhoneFan.de)

Darum ist AM-DX für mich heute nicht mehr so interessant wie früher

1978 begann ich mich für das Thema Radio zu interessieren. In den späten 70er, in den 80er und in den frühen 90er Jahren habe ich sehr viel Mittel- und Kurzwelle gehört. Für mich war aber DX, also der Rundfunkfernempfang, immer auch ein Mittel zum Zweck.

Das Programmangebot auf UKW war bis Mitte der 80er Jahre sehr langweilig. Der Hessische Rundfunk und der Südwestfunk strahlten je drei Programme aus, der Bayerische Rundfunk bot ab 1980 immerhin schon ein viertes Programm an.

Für den Süddeutschen Rundfunk, den Westdeutschen Rundfunk und die Programme aus der „DDR“ war schon etwas mehr Antennenaufwand erforderlich. hr3 und SWF3 waren nie so mein Fall, Bayern 3 hatte mir besser gefallen, aber nachdem ich 1978 Radio Luxemburg kennengelernt hatte, wusste ich, wie man „richtig“ Radio macht.

RTL und Radio Caroline auf Mittel- und Kurzwelle

Ich hörte fortan oft die „vier fröhlichen Wellen“ – morgens auf 1440 kHz, tagsüber auf 6090 kHz. Als Radio Caroline 1983 mit Sendungen vom damals neuen Radioschiff Ross Revenge startete, war ich von Anfang an dabei. Der 90 Meter hohe Mast auf dem Schiff sorgte auch tagsüber für guten Empfang auf 963 kHz.

Aber auch SR1 Europawelle Saar – zu empfangen auf 1422 kHz – hatte es mir damals angetan. Auf Mittel- und Kurzwelle gab es eine Programmvielfalt, die ich von der UKW-Skala einfach nicht kannte. Satelliten- und Internetradio? Damals dachte niemand daran, dass es so etwas einmal geben könnte.

Ich habe aber auch die deutschsprachigen Auslandsdienste von Veranstaltern wie Radio RSA aus Südafrika, BBC London oder Radio Canada International sehr geschätzt. Das waren Informationsquellen über andere Länder aus erster Hand. Fast täglich verbrachte ich viele Stunden am Empfänger.

Und heute?

Mit dem Ende des Kalten Krieges und der immer größeren Verbreitung des Internets stellten die Auslandsdienste reihenweise ihre Sendungen ein. Von den in Spitzenzeiten mehr als 60 deutschsprachigen Angeboten aus aller Welt sind nur eine Hand voll übrig geblieben.

Auf UKW und DAB – heute DAB+ – nahm die Programmvielfalt dank privater Programmveranstalter zu. Zudem eröffnet das Internetradio Empfangsmöglichkeiten, von denen ich vor 40 Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Wer hätte gedacht, dass man heute Rock&Pop aus Santiago de Chile rund um die Uhr in bester Stereoqualität sogar im Auto hören kann, um nur ein Beispiel zu nennen?

Natürlich gehe ich auch heute noch gerne auf Wellenjagd, siehe meinen UKW-Bandscan, den ich in der vergangenen Woche in Cesenatico gemacht habe. Aber Lang-, Mittel- und Kurzwelle? Nach dem Auslandsdienste-Sterben haben auch viele Inlandsprogramme in diesen Wellenbereichen ihre Sendungen eingestellt. Für Programmhörer sind die AM-Frequenzbereiche schlicht uninteressant geworden.

Es geht nicht mehr viel

Am vergangenen Sonntagvormittag habe ich im Park in Cesenatico sitzend mit dem Sangean ATS-909X2 über das 49-Meter-Band gedreht. Exakt eine einzige Station war zu hören: Channel 292 auf 6070 kHz. Immerhin war der Empfang vor 11 Uhr Lokalzeit. Das Programm kam also wirklich über den Sender in Rohrdorf und nicht über den 100-kW-Brummer der ORS in Moosbrunn.

Vor 20 oder 30 Jahren hätte ich konstatiert, dass die Herrn Mögel und Dellinger zu Besuch sind. Heute stelle ich seufzend fest: „Mehr sendet halt nicht mehr.“ Das gilt zumindest für Sendeleistungen, die über die einer besseren Glühlampe hinausgehen, sodass man sie auch mit Teleskopantenne und ohne 200 Meter Langdraht hören kann.

Ein ähnliches Bild zeigte sich in Cesenatico auf der Mittelwelle – abends, aber eben nur mit der Ferritantenne des Sangean ATS-909X2. Ein paar Mal RAI, ein bisschen was vom Balkan und viel, viel Leere. Früher habe ich abends an der Adria Bayern 1 auf 801 kHz, hr1 auf 594 kHz, SR1 Europawelle Saar auf 1422 kHz oder das englische RTL-Programm auf 1440 kHz gehört. Alles Geschichte, aus und vorbei.

Dankbar für eine schöne Zeit

Ich bin unendlich dankbar dafür, noch die Zeiten erlebt zu haben, in denen das 49-Meter-Band rund um die Uhr voll belegt war – teilweise sogar überbelegt, sodass die Sender sich gegenseitig gestört haben. Wer erinnert sich nicht an die gegenseitigen Störungen von Bayerischem Rundfunk und Radio Luxemburg auf 6085 bzw. 6090 kHz?

Ich denke gerne daran zurück, SWF3 an der Adria auf 7265 kHz gehört zu haben – stundenweise sogar mit einen exklusiv für die Kurzwelle produzierten Urlaubsradio. Den RIAS habe ich gerne auf 6005 kHz gehört und die Deutsche Welle war auf 6075 kHz ein unverzichtbarer Reisebegleiter.

Jetzt gerade sitze ich ebenfalls im Auslandsurlaub und höre nebenbei Bayern 1 – nicht auf 6085 kHz sondern via Internet. Morgens ist hr1 – wie auch zuhause – mein täglicher Begleiter in den Tag, natürlich ebenfalls über den Stream. Und wenn ich kommende Woche wieder zuhause bin, werde ich die Möglichkeit schätzen, beispielsweise Radio ’60 ’70 ’80 via Internet hören zu können, nachdem ich das Programm in der Emilia-Romagna auf UKW kennenlernen durfte. Das Radiohobby ist anders geworden, aber keinesfalls schlechter.