Radio der Zukunft oder Brücken-Technologie? (Foto: Digitalradio Büro Deutschland)

Zweiter DAB+-„Bundesmux“ verzögert sich: Brauchen wir den überhaupt?

Mitte der 90er Jahre starteten die ersten DAB-Pilotprojekte. Ich war von Anfang an mit dabei und hatte recht früh einen Empfänger von Grundig im Auto. Dabei hat mich eigentlich nie die gegenüber UKW bessere Empfangsqualität interessiert. Die zusätzlich empfangbaren Programme waren und sind für mich „der“ Mehrwert des neuen Übertragungswegs.

In den 90er Jahren war schon die Rock Antenne mit dabei, nicht zu vergessen auch Bayern Mobil mit seinem genialen Musikprogramm. FFH DAB strahlte ein hervorragendes 80er-Jahre-Spartenprogramm aus und Frankfurt Business Radio suchte mit „News, Business & Music“ seine Hörerschaft.

Neustart 2011 als DAB+

So richtig startete das terrestrische Digitalradio erst 2011 durch. Der DAB-Nachfolgestandard DAB+ punktet mit verbessertem Codec, der eine größere Programmvielfalt ermöglicht. Dazu sind die Sendeleistungen höher als während der Testphase und Empfangsgeräte sind bezahlbar geworden.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich DAB+ zu einer Erfolgsstory. Immer mehr Digitalradios befinden sich im Markt, immer mehr Programme werden ausgestrahlt und die Sendernetze werden immer weiter ausgebaut.

Der zweite Bundesmux kann nicht starten

Nun gibt es einen ersten größeren Rückschlag: Der geplante zweite bundesweite Multiplex kann vorerst nicht starten. Einer der unterlegenen Mitbewerber um den Plattformbetrieb erweist sich als schlechter Verlierer und hat gerichtlich durchgesetzt, dass der Sofortvollzug der Sendelizenz ausgesetzt wird. Nun sprechen die Gerichte – und das kann Jahre dauern.

Einerseits ist es sehr schade, dass besagter Mitbewerber dem Medium, das er eigentlich fördern wollte, nun einen Bärendienst erweist, indem er die weitere Entwicklung blockiert. Andererseits frage ich mich, ob man den „zweiten Bundesmux“ überhaupt noch braucht.

Die Zukunft des Radios liegt im Internet

Eine noch größere Programmvielfalt als über UKW und DAB+ bietet heute das Internetradio. Dort sind Radiostationen als aller Welt zu hören, während DAB+ noch mehr ein „Narrowcasting“ ist als UKW. Sprich: Während ich auf UKW beispielsweise SWR3 und RPR1. oder auch Bayern 3 und Antenne Bayern sehr gut in Frankfurt am Main auf UKW im Autoradio hören kann, funktioniert das über DAB+ nur mit Aussetzern, die kaum ein Hörer zu akzeptieren bereit wäre.

Ich selbst war in den vergangenen 40 Jahren Rundfunkfernempfang immer vorne dabei, wenn es um neue Technologien ging. Schon in den 80er Jahren habe ich eine Satellitenempfangsanlage genutzt, Mitte der 90er Jahre kam DAB dazu und 2006 hatte ich mit dem Terratec Noxon 2 mein erstes WLAN-Radio.

DAB+ ist für mich verzichtbar geworden

Heute höre ich dank Flatrate und gutem LTE-Ausbau selbst im Auto mittlerweile Internetradio. So kann ich zumindest für mich sagen: DAB+ ist verzichtbar geworden. Wenn nun die mobilen Internet-Flatrates günstiger werden (denken wir nur an den 30-GB-Tarif für 5,99 Euro in Italien), dann wird die mobile Internet-Nutzung wohl auch bei Nomalhörern Einzug halten. Schließlich werden Spotify, Apple Music & Co. auch schon mobil genutzt und sind bereits im Massenmarkt angekommen.

Das Argument, die Mobilfunknetze seien dem Ansturm „wenn das alle machen“ nicht gewachsen, halte ich für Unsinn – zumindest wenn wir von Audio- und nicht von Videostreams reden. Die Kapazitäten werden weiter ausgebaut. Zudem werden echte Boradcast-Lösungen (Point-to-Multipoint) in Zukunft dafür sorgen, dass die Ressourcen effektiver genutzt werden.

Mit DAB+ sind Programmanbieter nicht auf Mobilfunk angewiesen

DAB+ kann dann eigentlich nur noch mit dem Vorteil für die Rundfunkveranstalter punkten, nicht auf die Netze von Dritten – etwa den Mobilfunkprovidern – angewiesen zu sein. Für die Hörer aber ist das Radio im Internet schon heute der attraktivere Empfangsweg, weil die Programmauswahl ungleich größer ist. Rundfunkveranstalter können Werbung regionalisieren und personalisieren, was über DAB+ nur bedingt möglich ist.

Noch vor wenigen Jahren war ich ein großer DAB+-Fan. Mittlerweile sehe ich den Standard als Übergangstechnologie, die derzeit noch ihre Berechtigung hat. Wenn die Mobilfunknetze aber auch auf dem Land noch besser ausgebaut sind und die Tarife noch günstiger werden, wird das terrestrische Radio immer mehr an Attraktivität verlieren. So gesehen bin ich skeptisch, ob sich die Investitionen in einen „zweiten Bundesmux“ überhaupt noch lohnen, wenn er denn irgendwann einmal starten darf.

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