Seit 40 Jahren gehe ich dem Hobby Rundfunkfernempfang nach

40 Jahre Rundfunkfernempfang

Wir schreiben das Jahr 1978. Nachdem meine Oma gestorben war, hatte ich deren Radiowecker geerbt. Eines Abends drehte ich über die Mittelwellenskala und hörte plötzlich die deutschsprachigen Programme von Radio Prag und Radio Moskau.

Ich fand es im zarten Alter von acht Jahren extrem faszinierend, dass da aus dem Ausland Radiostationen in deutscher Sprache zu hören waren. Morgens wiederholte ich die Empfangsversuche und entdeckte so die deutschen Sendungen der BBC London und von Radio Luxemburg.

RTL fand ich damals komisch. Die anderen deutschsprachigen Dienste strahlten alle Nachrichten und Informationsprogramme aus. Radio Luxemburg bot dagegen ein Musikprogramm mit Kurznachrichten und lockerer Moderation. Dass es sich dabei um keinen Auslandsdienst, sondern einen kommerziellen Privatsender handelte, wusste ich damals noch nicht.

Ich wurde Fan des „Fröhlichen Weckers“ mit Matthias Krings und Axel Fitzke. Vor allem die Doppelmoderation bei der Übergabe zwischen den beiden Moderatoren – jeweils rund um 06.30 Uhr – schätzte ich dabei sehr. Aber auch die Puhvogel-Sketche kurz nach 7 Uhr hatten es mir angetan.

Ab 1979 Radiorecorder von Intercord

Gut ein Jahr später bekam ich einen Radiorecorder von Intercord geschenkt, der neben UKW und Mittelwelle auch Lang- und Kurzwellenempfang bot. Parallel erhielt ich die Sendertabelle aus dem Franzis-Verlag, die auch einen Kurzwellen-Sendeplan und eine Vorlage zum Verfassen von Empfangsberichte beinhaltete. Ich schickte testweise einen Empfangsbericht an den Südwestfunk (Mittelwelle Wolfsheim, 1017 kHz) und erhielt wenige Tage später tatsächlich eine QSL-Karte.

Auf Kurzwelle lernte ich unter anderem den Evangeliumsrundfunk kennen, dem ich ebenfalls einen Empfangsbericht zukommen ließ Neben der QSL-Karte bekam ich auch Informationen zum Programm. So wurde ich auf „TWR DX Spezial“ aufmerksam. Dieser Sendetitel machte mich neugierig, passte er doch so gar nicht zu den religiösen Programmen, die der ERF ansonsten ausstrahlte.

Ich hörte samstags die Sendung und lernte so mein erstes DX-Programm kennen (wobei ich zu diesem Zeitpunkt mit dem Begriff DX noch gar nichts anfangen konnte). Über die Sendung bekam ich in der Folge viele Empfangstipps und hörte vor allem die Programme der damals noch rund 50 Auslandsdienste in deutscher Sprache.

Radio Caroline aus internationalen Gewässern

1983 machte mich „TWR DX Spezial“ auf ein Programm namens Radio Caroline aufmerksam, das aus internationalen Gewässern sendete. Auf 963 kHz konnte ich den Sender in den Abendstunden tatsächlich empfangen. War der Empfang einmal schlechter, so vermutete ich als 13-jähriger, das Schiff sei „weiter rausgefahren“.

Überhaupt war ich der Ansicht, Radio Caroline würde aus dem Mittelmeer senden. Vermutlich hatte ich zuvor einmal etwas von der Voice of Peace gehört, was mich zu dieser Annahme verleitete. Erst an Ostern 1984 brachte die SWF3-Sendung „Radio Caroline und die anderen“ im Rahmen des „Popshop Forum“ Licht ins Dunkel und ich erfuhr mehr über die Geschichte der Seesender.

Privatradio aus Südtirol

Schon Ende 1982 lernte ich Privatfunk aus Südtirol kennen. In der Zeitschrift ELO fand sich seinerzeit ein Bericht über Radio Brenner, sodass ich auf einer Urlaubsreise über Weihnachten und Silvester an die Riviera gezielt nach dem Sender gesucht habe.

In Nürnberg und München war nichts zu hören, in Innsbruck hatte ich vermutlich die falsche Frequenz im Visier, sodass ich erst kurz vor dem Brennerpass Thomas Weigt auf der angesagten 103,95 (statt 104,05) MHz hörte. Schon kurz nach der österreichisch-italienischen Grenze war der Sender dann aber nicht mehr zu hören.

Erst im Sommer 1983 konnte ich Radio Brenner erneut hören. Wir hatten Verwandte in Erding besucht, wo der Sender ganz gut, aber nicht ganz ohne Fading zu empfangen war. Ganz anders das gerade erst als Nachfolger von Radio Bavaria International gestartete Radio M1, das auf 104,7 MHz rauschfrei in Stereo zu empfangen war.

Auf der Rückfahrt hatten wir in Erlangen einen weiteren Verwandtenbesuch gemacht. Dort war das von der Flatsch-Spitze sendende Radio Brenner nur noch mit starkem Fading zu empfangen, während Radio M1 vom Sender Schwarzenstein immer noch völlig einwandfreien Empfang bot.

Radio M1 schaffte es bei Überreichweiten sogar kurzzeitig bis zu mir nach Hause. Das Programm fand ich genial. Schade, dass vom Schwarzenstein nur wenige Monate gesendet wurde.

Die Südtiroler Stationen zeigten, wie Privatradio funktioniert. Mit kleinen, engagierten Teams wurde ein Maximum an Programm für die Hörer herausgeholt. So fieberte ich dem Privatradio-Start in Deutschland entgegen, ohne aber parallel das Kurzwellenhobby aufzugeben.

1986 ging Radio 4 auf Sendung

Mit Radio 4 aus Rheinland-Pfalz konnte ich 1986 zum ersten Mal auch zuhause auf UKW und ohne Überreichweiten Privatfunk hören. Der zum Start am 30. April 1986 betriebene Sender Mannheim (Fernmeldeturm) brachte auf 103,6 MHz (5 kW) zwar nur schwachen Empfang. Am 1. Juli wurde aber der Sender Mainz (Lerchenberg) auf 100,6 MHz mit 2 kW aufgeschaltet, der dann im gesamten Rhein-Main-Gebiet gut zu empfangen war.

Ein Jahr später konnte ich erstmals Lokalradio hören: Am 8. Mai 1987 ging Radio Frankenwarte aus Würzburg auf Sendung, eine Woche später fiel der Startschuss für die Frequenz 91,6 MH in Aschaffenburg, die sich Radio Primavera, Welle Untermain und Radio ARA geteilt hatten.

Besonders gut gefallen hatte mir damals das Programm der Welle Untermain. Dort gab es auch ein Wiederhören mit Roger Kirk, den ich bereits von der Kurzwelle kannte. Kirk produzierte in Frankfurt am Main ein Programm namens Radio Victoria, das über Radio Milano International aus Italien auf Kurzwelle 7295 kHz ausgestrahlt wurde. Ich war Stammhörer der Sendungen, die immer samstags und sonntags von 9 bis 13 Uhr zu hören waren.

1990 Einstieg ins Sat-DX

1990 haben wir hier in Biebergemünd-Bieber unsere erste Satelliten-Empfangsanlage aufgebaut. So konnte ich erstmals Satellitenradio hören. Unvergessen war Radio Nordsee International aus Halden in Norwegen, das seinen Namen vom früheren Seesender gleichen Namens geerbt hat und wo ich später selbst moderiert habe.

Ich erinnere mich aber auch gerne an die Anfangszeit von 104.6 RTL. Die Studios im Berliner Kudamm-Karree waren noch nicht fertiggestellt, sodass die Sendungen in Luxemburg produziert und über Astra nach Berlin zugeführt wurden. Schade, dass die Sat-Abstrahlung mit dem Umzug des Studios nach Berlin wieder eingestellt wurde.

Auf Astra und – via Radio Nordsee International – über Intelsat gab es dann auch ein Wiederhören mit Radio Caroline, das 1990 seine Sendungen von hoher See einstellen musste. Nicht zuletzt war auch das englische Programm von Radio Luxemburg über Astra in HiFi-Qualität zu empfangen und mit Virgin 1215 und dem holländischen RTL Rock Radio starteten zwei Musiksender, die ich noch heute als legendär bezeichnen würde.

DAB, DRM und WorldSpace

Beim terrestrischen Digitalradio DAB war ich von Anfang an dabei. Ein Freund und Geschäftspartner (bis heute) ermöglichte mir die Teilnahme am bayerischen DAB-Pilotprojekt. Anfangs konnte ich freilich noch keine DAB-Programme empfangen, doch zum einen startete auch in Hessen ein Pilotprojekt und zum anderen wurde das bayerische Sendernetz sukzessive ausgebaut.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends interessierte ich mich auch für das WorldSpace-Satellitensystem, das vor allem Afrika und Asien mit Hörfunkprogrammen versorgen wollte. Auch in Mitteleuropa waren die Signale des AfriStar-Satelliten noch gut zu empfangen – bis WorldSpace irgendwann sang- und klanglos Pleite ging.

Mit Digital Radio Mondiale (DRM) versuchten Auslandsdienste wie die Deutsche Welle, die BBC London und Radio Netherlands, aber auch das kommerzielle Radio Luxemburg, die Kurzwelle wiederzubeleben. Die Hörerzahlen auf der analogen Kurzwelle gingen seit Ende des Kalten Kriegs sukzessive zurück, erste Auslandssender wurden bereits „abgewickelt“.

DRM funktionierte gut, kam aber zu spät. Der Niedergang des AM-Rundfunks war nicht mehr aufzuhalten. Wer im 21. Jahrhundert Radio aus dem Ausland hören möchte, tut dies über Satellit und mit Aufkommen der DSL-Zugänge und Daten-Flatrates immer mehr auch über Internet.

2006 ohne Sat-Empfang in Berlin

In den 90er Jahren wäre es für mich undenkbar gewesen, ohne eine Satellitenempfangsanlage auszukommen. 2006/07 pendelte ich aber jede Woche nach Berlin. In der dortigen Wohnung hatte ich keinen Sat-Empfang, dafür aber mit dem Terratec Noxon 2 ein erstes WLAN-Radio, das für meine Zwecke nicht nur ein adäquater Ersatz war, sondern sogar einen Mehrwert bot, denn schon damals war die Programmvielfalt via Internet sehr groß.

Der letzte große Meilenstein in „meiner“ Radiogeschichte war dann der Start von DAB+ im August 2011. Ich war von Anfang an beim neuen terrestrischen Digitalradio mit dabei und erfreue mich der Programmvielfalt und der guten Empfangsqualität.

Radioempfang mittlerweile überwiegend via Internet

Dennoch nutze ich selbst mobil mittlerweile überwiegend Internetradio. Hier kann ich – wie schon in den 80er Jahren – Programme aus aller Welt hören. Jetzt klappt das aber in HiFi-Stereo-Qualität und ohne schwankenden Empfang, wie er auf der Kurzwelle üblich ist.

So freue ich mich, beispielsweise auch zuhause Sender zu hören, die ich im Urlaub kennengelernt habe – sei es Paradise FM Curacao oder 97.1 The Point Las Vegas, Radio Gibraltar oder Dubai 92, um nur einige Beispiele zu nennen.

Schade finde ich es wiederum, dass es viele Auslandsdienste nicht mehr gibt. Heute könnte man die Programme über Internet in sehr guter Qualität hören. Mit Podcasts wären die Lieblingssendungen auch unabhängig von starren Sendezeiten hörbar. Aber wenn es selbst die Deutsche Welle nicht mehr für nötig erachtet, ein deutsches Hörfunkprogramm auszustrahlen, muss man sich nicht wundern, dass das bei anderen Auslandsdiensten genauso ist.

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