Never ending Lockdown? (Foto: Pixabay)
Never ending Lockdown? (Foto: Pixabay)

Ein Jahr Corona-Lockdown: Perspektiven müssen her

Vor genau einem Jahr begann der erste Lockdown im Rahmen der Corona-Krise in Deutschland. Was damals zunächst nach einem Problem aussah, das nach wenigen Wochen oder Monaten wieder Geschichte ist, hält bis heute die ganze Welt in Schach. Die ganze Welt? Nein, es gibt auch Länder wie Australien und Neuseeland, Island oder die Isle of Man, Thailand oder Taiwan, die die Pandemie weitgehend im Griff haben.

Ich habe aus dem Freundes- und Bekanntenkreis schon mehrfach Kritik daran gehört, dass beispielsweise Australien aufgrund eines einzigen positiven Corona-Falls gleich eine ganze Region in einen harten Lockdown schickt. Dabei ist doch genau diese Maßnahme der offensichtliche Schlüssel zum Erfolg: Das gesamte öffentliche Leben herunterfahren, Ausgangssperren verhängen und die Leute testen.

Für alle negativ Getesteten kann das fast normale Alltagsleben nach wenigen Tagen weiterlaufen und wer in einer nicht vom lokalen Lockdown betroffenen Gegend wohnt, bekommt von den kurzzeitigen Einschränkungen erst gar nichts mit. Da stellt man sich durchaus die Frage, was besser ist: Monatelanger Open-End-Lockdown in Deutschland oder kurzzeitige, dafür aber sehr harte Maßnahmen, die danach wieder ein weitgehend normales Leben ermöglichen.

In Neuseeland finden wieder Konzerte mit mehr als 30.000 Besuchern statt. Selbst in Barcelona soll noch Ende März ein Konzert mit 5000 Zuschauern veranstaltet werden. Währenddessen bereitet sich Deutschland auf die dritte Corona-Welle vor, ohne aus der zweiten Welle jemals herausgekommen zu sein. Wie lange will uns die Politik noch die Grundrechte verwehren, die jeder Einzelne hat?

Der erste Lockdown lief besser

Der erste Lockdown war unangenehm und ungewohnt. Aber jeder wusste, worum es geht. Jeder hat mitgemacht. Und letzten Endes war die Aktion erfolgreich. Nach rund zwei Monaten wurden die Maßnahmen gelockert und wir hatten in Deutschland und weiten Teilen Europas einen recht akzeptablen Sommer.

Als die Corona-Zahlen im Herbst wieder stiegen, handelte die Politik – anders als im Frühjahr – zunächst überhaupt nicht. Dann kam der Gastronomie-Lockdown, der überhaupt nicht zielführend war und die Geschäftsleute, die zuvor in Hygienekonzepte und Corona-kompatible Gasträume investiert hatten, mit Füßen trat. Es folgte der Shopping-Lockdown, der sich auch nicht ganz so effektiv auswirkte, wie erhofft.

Unter dem Strich lebt Deutschland nun seit fast fünf Monaten in einem Social Lockdown. Ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Dank dritter Welle wollen Virologen und Intensivmediziner am liebsten gestern eine Rücknahme der für den März beschlossenen Lockerungen (die so locker ja nun auch wieder nicht sind). Ich fürchte, genau das wird die Politik spätestens kommenden Montag beschließen.

Aus epidemiologischer Sicht mag das sogar verständlich sein. Aber hat auch einmal jemand Psychologen gefragt, wie sich dieser monatelange Social Lockdown auf die Psyche der Menschen auswirkt? Ich höre in diesem Zusammenhang immer nur, dass die Schulen geöffnet werden müssen, weil die Kinder darunter leiden, dass sie ihre Freunde und Klassenkameraden nicht sehen. Das ist sicher richtig, aber sorry, das geht Erwachsenen auch nicht anders, wenn sie monatelang staatlich verordnet daran gehindert werden, Freunde und Bekannte am Stammtisch zu treffen.

Wer hinterfragt den wirtschaftlichen Schaden, den dieser unsägliche Dauer-Lockdown auslöst? Wer berücksichtigt, wie die Gesellschaft unter der Situation leidet? Warum übt die Politik nicht mehr Selbstkritik? Während sich in den USA, in Großbritannien, in Israel und anderen Ländern die Situation auch durch fortschreitende Impfungen entspannt, haben die Verantwortlichen in Deutschland und EU viel zu spät gehandelt, sodass Impfstoff nun ein viel zu knappes Gut ist.

Öffnungen nach Tübinger Vorbild dringend geboten

Steigende Fallzahlen hin, Mutanten her: Ich bin der Ansicht, dass Lockdown-Verlängerungen nach so vielen Monaten nicht mehr zumutbar sind. Die Beschränkungen müssen in ihrer jetzigen Form unverzüglich aufgehoben werden – und zwar nach Tübinger und Vorarlberger Vorbild. Handel, Hotels und Gastronomie werden geöffnet und ein negativer Schnell- oder Selbsttest ist die „Eintrittskarte“ für den jeweiligen Tag.

Sprich: Schnelltests sollten bis zu einer Impfung an jedem Tag, an dem das Haus verlassen wird, obligatorisch sein. Wenn negativ, dann „go“. Wenn positiv, dann Quarantäne bis zu einem PCR-Test, der das Ergebnis bestätigt oder auch nicht. Auch für den Einkauf im Supermarkt oder den ÖPNV sollten die Tests bis zur Impfung zum Standard werden. Nervt, ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, ermöglicht es aber, das öffentliche Leben wieder hochzufahren.

Wer sich absolut nicht testen und auch nicht impfen lassen möchte, der muss eben damit rechnen, am öffentlichen Leben nicht mehr teilnehmen zu können. Wer grundsätzlich gegen alles ist, der soll sich meinetwegen bis zum Sankt Nimmerleinstag zu Hause einbunkern. Wer Angst hat, vor die Tür zu gehen, dem kann ich einen atombombenfesten Bunker empfehlen. Es ist aber nicht weiter akzeptabel, der Gesamtbevölkerung derartige Einschränkungen zuzumuten, wie wir sie nun schon seit so langer Zeit in Deutschland haben.